William Shakespeare

1564 – 1616           England

 

 

In Übersetzungen von:

Emil Wagner

 

 

Sonette aus „Der leidenschaftliche Pilger“

 

I.

 

Hat deines Himmelsaugs Beredsamkeit

(Der stets die Welt vergeblich widersprochen)

Mich nicht bewegt, zu brechen meinen Eid?

Doch straflos wird für dich ein Eid gebrochen.

 

Ein Weib verschwor ich – daraus folget nur,

Daß ich dich, eine Göttin, nicht verschwor;

Du bist ein Engel, irdisch war mein Schwur,

Und deine Huld beugt meiner Sünde vor.

 

Mein Eid war Hauch, und Hauch kann Dunst nur sein:

Drum, schöne Sonne, meiner Erde Licht,

Ist er in dir, du sogst den Dunst-Eid ein;

Wenn dann gebrochen – ist’s mein Fehler nicht,

 

Und brech’ ich ihn – ein Thor selbst wohl erkiese

Den Meineid, führt’ er ihn zum Paradiese.

 

 

II.

 

Die süße Venus saß an einem Bach,

Mit ihr Adonis, lieblich hold und fein;

Sie stellt mit manchem Liebesblick ihm nach, -

So blickt der Liebe Königin allein.

 

Sie sucht sein Ohr mit Mährchen zu verführen,

Sie lockt sein Auge, läßt Verhülltes sehn,

Sie drückt ihn hier und dort, sein Herz zu rühren,

Sie drückt ihn sanft! Wer könnte widerstehn!

 

Doch, ob die Jugend noch in ihm nicht spricht,

Ob er verschmäht, was sie zu schenken dachte,

Den kleinen Tadler lockt der Köder nicht,

Er scherzt’ bei jeglichem Versuch und lachte.

 

Da fällt sie plötzlich auf den Rücken hin –

Und er springt auf und flieht! – Der Eigensinn! –

 

 

III.

 

Macht Liebe treulos mich, wie soll ich Liebe schwören?

Nie hielt die Treue Stich, die nicht der Schönheit schwor;

Doch bin ich treulos mir, dir wil ich treu gehören,

Mein Sinn, mir eichenfest, war dir ein schwankes Rohr.

 

Es wird die Wissenschaft dein Aug’ zum Buch ernennen,

Das allen Reiz enthält, den Kunst umfassen kann.

Wenn Kenntnis Endzweck ist, genügt es, dich zu kennen;

Die Zung’ ist hochgelehrt, die schön dein Lob ersann.

 

Wem du kein Wunder bist, deß Geist ist schwach und blöde,

Daß ich dich rühm’, ist das, was Gutes in mir ruht.

Zeus’ Blitzstrahl ist dein Aug’, sein Donner deine Rede,

Die (nicht zum Zorn geneigt) Musik und sanfte Gluth.

 

O, himmlisch wie du bist, wirst du mir’s nicht verweisen,

Daß ich des Himmels Lob mit ird’schem Wort muß preisen.

 

 

IV.

 

Die Sonne hatte kaum den Thau getrunken,

Kaum stand der Hirt am schatt’gen Zaun gelehnt,

Als Cypria, in Liebe ganz versunken,

Erwartungsvoll sich nach Adonis sehnt.

 

An einer Weide war’s, am Bach, ein Ort,

An dem Adonis oft den Unmuth kühlte;

Heiß war der Tag, doch heißer sie, die dort

Nach seiner Ankunft glüh’nde Sehnsucht fühlte.

 

Da kommt er plötzlich, wirft den Mantel ab

Und steht, ein Nackter, auf des Ufers Grün;

Her schaut die Sonne auf die Welt hinab,

Doch sehnlicher die Königin auf ihn; -

 

Da sieht er sie, und stürzt hinein zur Stelle;

„O Zeus“, ruft sie, „o wär’ ich eine Welle!“

 

 

VI.

 

Geht mit Musik die Dichtkunst im Verein, -

Und als Geschwister thun sie’s sicherlich –

Groß muß dann zwischen uns die Liebe sein,

Da du die eine liebst, die andre ich.

 

Du freust dich Dowland’s, dessen Cither innig

Das Herz bezaubernd, es in Wonne taucht;

Ich freue Spenser’s mich, der zart und sinnig

Den Geist entzückend, nicht Vertheid’gung braucht.

 

Du liebst den melodienreichen Klang.

Von Phöbus’ Laute, dieser Königin,

Und wenn er selber anstimmt den Gesang,

Dann fühl’ ich mir begeistert Herz und Sinn.

 

Ein Gott ist beider Gott, wie Dichter künden,

Ein Mann liebt beid’; in dir sind beid’ zu finden.

 

 

IX.

 

Im Morgenschatten saßen traut beisammen

Adonis einst und Venus. Diese sprach

Von Mars’ Versuchen, seinen wilden Flammen

Für sie, und was er that, das ahmt sie nach.

 

„So“, rief sie, „hat der Kriegsgott mich umschlungen,“

Und ließ ihn dann in ihren Armen ruhn;

„So hat er oft den Gürtel mir entrungen“,

Als ob der Knabe Gleiches sollte thun.

 

„So“, rief sie, „preßt’ er oft die Lippen mir“,

Und ihre Lippen zeigten, wie’s geschehen, -

Doch als sie Athem schöpft’, entschlüpft er ihr,

Und wollte nicht, was sie gemeint, verstehen!

 

O daß mich doch mein Mädchen herzt’ und küßte,

Bis ich vor ihrem Kuß entfliehen müßte! -